Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats Juli 2016
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 52: Mohn (Papaver sp)

Rot ist die Farbe des Sommers, rot wie der Klatschmohn (Papaver rhoeas). Die knallroten Blumen, deren vier Blütenblätter dünn wie Papier und nach zwei, drei Tagen schon wieder verblüht sind, blühen von Mai bis August an Feldrändern, an Wegen, auf Brachflächen. Klatschmohn wächst zwar inzwischen überall. Aber er stammt aus wärmeren Gefilden, nämlich aus dem Mittelmeerraum. Zusammen mit dem Getreide kam er in der Jungsteinzeit von dort nach Mitteleuropa, wohl zwischen 4500 und 3000 vor Christus.



Leicht bläulich sind die Samenkapseln des Schlafmohns. Aus unreifen Kapseln wird Opium gewonnen. Der Anbau von Schlafmohn ist in Deutschland genehmigungspflichtig. Selbst wer auf kleinster Fläche privat Schlafmohn anbaut, verstößt gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder einer Geldstrafe geahndet werden. Foto: Armstrong


Eine Heilpflanze ist der Klatschmohn allerdings nicht. Die Blütenblätter werden nur als Schmuckdroge ohne eigene Wirkung verwendet: Die roten Blütenblätter verzieren etwa Teemischungen.
Eine uralte Heil- und Zauberpflanze ist dagegen der verwandte Schlafmohn (Papaver somniferum), aus dem Opium gewonnen wird. Schlafmohn ist allerdings meist weiß bis violett und nur selten rot. Auch er stammt aus der Mittelmeerregion. Schlafmohn ist keine Wildpflanze, sondern eine der ältesten Kulturpflanzen. Die Wildform ist unbekannt, aber wohl dem mediterranen Borstenmohn ähnlich.

Schon in der Jungsteinzeit wurde Schlafmohn verwendet. In Pfahlbausiedlungen in Oberitalien, der Schweiz und Süddeutschlands wurden Reste von Samen und Öl gefunden. Ob der Mohn wegen seiner essbaren Samen oder wegen der betäubenden Wirkung des Safts der unreifen Samenkapseln, also des Opiums, angebaut wurde, ist nicht klar. Manche Forscher vermuten aber, dass Opium zuerst im südlichen Europa gewonnen wurde und nicht im Orient, wie sonst angenommen wird.

Schlafmohn verbreitete sich rasch. Überall wurde er als Zauberblume zwischen Gut und Böse angesehen. Schon in sumerischer Keilschrift und in ägyptischen Hieroglyphen wird Schlafmohn einerseits als schlafbringend und beruhigend gepriesen, andererseits wird vor Missbrauch gewarnt. „Wie ein roter Faden zieht sich die verharmlosende Idealisierung und die Verfluchung des Mohns durch die Menschheitsgeschichte“, schreibt Marianne Beuchert. Sie erklärt auch den botanischen Namen „Papaver“: In einem alten Glossar der lateinischen Sprache stehe, der Name komme von „Papa“ oder „pater“ = Vater. „Früher habe man unruhigen Kindern Abkochungen von Mohnblüten gegeben, sie zu beruhigen ‚wie ein strenges Machtwort des Vaters‘.“

In der Antike war Schlafmohn eine heilige Pflanze der Götter. Für die Griechen waren die Mohnkapsel und das aus ihnen gewonnene Opium etwa Attribute der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter. Außerdem gab es natürlich die Verbindung zu Morpheus, dem Gott des Schlafes. Auf Zypern hieß es, der Mohn sei aus den Tränen der Aphrodite entstanden. Der verführerische Wein der Ägypterin Kleopatra enthielt Opium (dazu Nachtschattengewächse wie Bilsenkraut und Stechapfel).

Auch den Germanen war der Mohn wohl heilig. Die Pflanze soll auf die heiligen Äcker des Wotan gepflanzt worden sein.
Und dann ist da die dunkle Seite des Mohns. Im Mittelalter gehörte der Mohn zu den Hexenpflanzen. Er sollte Hexensalben zugefügt worden und als magisches Räucherpulver verwendet worden sein. Als Rauschdroge wurde Opium bei uns in der Romantik bekannt. Er war in so genannten „orientalischen Fröhlichkeitspillen“ enthalten. Im 19. Jahrhundert kam es dann zu den zwei Opiumkriegen zwischen Großbritannien und China. Die Folge waren Opiumsüchtige und –tote in China. Vor allem viele chinesische Intellektuelle wurden süchtig, vegetierten dahin oder starben qualvoll. Heute fällt bei uns nicht nur Opium, sondern die ganze Pflanze unter das Betäubungsmittelgesetz.
Die Kapseln des Schlafmohns enthalten über 30 000 Samen, die meist fast alle keimfähig sind. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Mohn auch ein Symbol für Fruchtbarkeit war. Göttinnen der Liebe und der Fruchtbarkeit wie Aphrodite oder Venus wurden oft mit Mohnkapseln dargestellt. Auch bei den Germanen galt ein Gebäck mit vielen Mohnsamen als Fruchtbarkeitssymbol. Vielleicht sind ja deshalb Mohnsemmeln noch heute so beliebt, wer weiß…

Quellen:

Katalog der Ausstellung „Druidenfuß und Hexensessel – Magische Pflanzen“ im Frankfurter Palmengarten, Marianne Beuchert: „Symbolik der Pflanzen“ sowie verschiedene Internetseiten, etwa www.nabu.de
Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

Alle Heilpflanzen des Monats

Die Sonne scheint durch die roten, papierdünnen Blütenblätter des Klatschmohns. Zu erkennen sind die Borsten am Stängel. Auch die Blütenknospen des Klatschmohns sind stark behaart. Schlafmohn dagegen hat glatte Stängel und Knospen. Alle Pflanzenteile des Klatschmohns sind leicht giftig, besonders der weiße Saft der unreifen Samenkapseln. Junge Blätter, Blütenblätter und Samen sind unbedenklich bei mäßiger Verwendung.
Foto: Armstrong